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© Maryan Zyderveld,
DVM
ETWHA Journal, März 1996
Organ der European Tennessee
Walking Horse Association E.V. |
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Immer
wenn eine neue Pferderasse irgendwo importiert wird und
Anklang findet, gibt es naturgemäß Leute, die die Zucht
weiterführen wollen. So war es auch am Anfang der Zucht
von Tennessee Walkern in Europa! Die Stutenbesitzer
machten sich viel Mühe, brachten zum Beispiel eine Stute
von Rheinland-Pfalz nach Holstein, oder sogar von den
Niederlanden nach England, um sie dort von einem Hengst
ihrer Wahl decken zu lassen. Nach so viel Investition
war der Erfolg süß, aber trotzdem freute sich jeder,
wenn die Auswahl an zur Verfügung stehenden Hengsten
sich wieder erweitert hatte. Allmählich ist es so, daß
wir eine wirklich vernünftige Wahl treffen können.
Hengste mit Qualitäten als All-round Freizeitpferd, als
Sportler (wie für Distanzreiten), als schickes
Schaupferd für Vorführung oder Wettkampf und sogar
Hengste für die Farbzucht stehen zur Verfügung.
Tennessee Walker in den seltenen Farben Palomino,
Buckskin (Falb), Tobiano- und Sabino- Schecken können
heutzutage auch in Europa gezogen werden!
Wir Menschen haben aber immer Träume im Kopf, und
möchten auch immer eine Menge Auswahl haben, manchmal
mehr als wir eigentlich brauchen. Außerdem sagen wir uns,
daß es für unsere Stute doch wohl besser sei, die (lange)
Reise zum Hengst gar nicht machen zu müssen. Wäre es
nicht viel einfacher, Samen zu bestellen and unseren
Tierarzt zu fragen, diesen der Stute "reinzustecken"?
Das macht man ja mit den landesüblichen Warmblütern doch
auch öfters? Und dabei hätte man ja Auswahl aus allen
Hengsten in Amerika! Nun ja, aus fast allen; diejenigen
halt, die inserieren mit dem Versand von Hengstsamen.
Das werden ja schließlich immer mehr Hengsthalter. Und
wenn's denn klappt, hat man ein Fohlen von einem richtig
auserwählten Hengst. |
Die Hengstbeurteilung is Schwierig! |
Hier
möchte ich ein paar kritische Bemerkungen machen, obwohl
ich jedem viel Erfolg wünsche, der versuchen möchte, auf
diese Art und Weise ein Fohlen zu erzeugen.
Zuerst, was das Auswählen von einem Vaterier angeht,
ohne Besuch in Amerika, dann was die praktischen,
biologischen und gesetzlichen Komplikationen angeht,
denen man ausgesetzt ist.
Der erste Eindruck von einem Hengst in Amerika ergibt
sich meistens von einem Photo und einer Kopie des
Pedigree, der Abstammung. Die Ahnenreihe ist natürlich
eine Sache für sich, je mehr Ahnung man davon hat, je
besser. Das Photo aber soll einen direkten und für
manchen entscheidenden Eindruck vermitteln. Hier aber
weist das übliche amerikanische Bild, aufgenommen von
der Seite, wobei das Pferd "parked" steht, gewisse
Schwierigkeiten auf. Bei so einem Bild steht das Pferd
mit beiden Vorderhufen und genauso mit den hinteren
Hufen nebeneinander, wobei die Hinterbeine recht weit
nach hinten plaziert sind. Für diese Art des Stehens
zeigen viele Tennessee Walker eine gewisse Veranlagung.
Meistens müssen sie aber richtig erzogen werden, um
''parked" zu stehen und dabei länger in dieser Position
auszuharren. Die Pferde haben dann gelernt, sich auf z.B.
das Kommando "stretch" oder "get out" so hinzustellen.
Viele Leute finden diese Art des Hinstellens recht schön;
dieses soll uns aber egal sein, wenn wir versuchen
wollen, das Gebäude des Pferdes zu beurteilen.
Verschiedene Sachen kann man auf einem derartigen Bild
weniger gut beurteilen als auf den in Europa üblichen
Seitenbildern. Auf dem amerikanischen Standardbild sind
die Beine einer Seite schlecht oder gar nicht zu
erkennen. Dieses macht die Beurteilung der Brustbreite,
Länge zwischen Vor- und Hinterbeinen, Entwicklung der
Hinterhand und Unregelmässigkeiten in der Beinstellung (z.B.
zeheneng, zu sehr zehenweit, ungleiche Hufe) deutlich
schwieriger oder sogar unmöglich. Außerdem ändert die
Position des Pferdes auf dem amerikanischen Bild die
Rückenlinie derartig, daß auch diese nicht so gut
beurteilt werden kann. Und dazu wird nicht richtig klar,
ob das Pferd vielleicht überbaut ist. Diese letzten zwei
Schwierigkeiten werden noch verstärkt, wenn das Pferd
vorne "etwas unter den Hufen hat". Das können nur
schwere oder extra dicke Eisen sein, bei dieser Rasse
aber durchaus auch "Pads", Kunststoffplatten. Im Prinzip
können wir hier nur bei Bildern, auf denen die Hufe klar
zu sehen sein, auf Nummer sicher gehen. Ein anderes
Merkmal von vielen amerikanischen Pferdebildern (aber
auch vielen europäischen!) ist, daß sie oft etwas schräg
aufgenommen sind, nämlich vorne höher, wodurch es
aussieht, als ob das Pferd extra viel Halsaufsatz hat.
Schließlich muß man sich bei Erwähnung von
Widerristhöhen immer fragen, ob das Maß ohne Eisen, mit
(dicken) Eisen oder sogar mit Platten genommen wurde! Es
mag einem unglaublich vorkommen, aber die Amerikaner
legen weit weniger Wert auf die genaue Widerristhöhe und
verstehen dabei kaum, daß jemand so was wirklich ganz
präzise wissen möchte. Ähnliche Schwierigkeiten gibt es
bei der Beurteilung von Bildern eines Pferdes im Gang
und sogar auf Video. Dabei kann man das amerikanische
NTSC-Video-System auf europäischen Geräten gar nicht
abspielen.
Bisher haben wir nur Äusserlichkeiten angeguckt, vom
Charakter des Pferdes kann man ohne Besuch des Stalles
nur einen recht schlichten Eindruck bekommen. Vor einem
wirklich unangenehmen, saueren Pferd brauchen wir uns
bei dieser Rasse aber nicht zu sehr zu fürchten! Aber
wie eifrig ist das Tier, geht es immer lauffreudig und
vorwärts oder eigentlich eher recht faul?
Viele Fragen, die man bei einem Besuch ziemlich leicht
beurteilen kann. |
Rechtliche Bestimmungen |
Jetzt
mal zu den praktischen und gesetzlichen Bedingungen. Die
Gesetzgebung für Import von Pferdesamen aus Ländern
ausserhalb der E.G. liegt noch nicht genau fest. Deshalb
wird manches improvisiert und können Behördenvertreter
auch unterschiedlich auf einen Samenimportantrag
reagieren. Ob der Samen tiefgefroren oder frisch und
gekühlt versandt wird, macht hierbei keinen Unterschied.
Ein paar Regeln, zutreffend für Deutschland, können hier
einiges erläutern:
Anbieten und Abgeben von eingeführtem Samen:
(1) Samen, der aus Ländern ausserhalb der Europäischen
Gemeinschaften in den Geltungsbereich dieses Gesetzes
gebracht worden ist, darf nur angeboten oder abgegeben
werden, wenn die zuständige Behörde hierfür eine
Genehmigung erteilt hat. Die Genehmigung kann nur die
Besamungsstation beantragen, die den Samen anbietet oder
abgibt.
(2) Die Genehmigung wird erteilt, wenn
1. der Zuchtwert des Spendertieres über dem
durchschnittlichen Zuchtwert vergleichbarer Tiere
liegt,
2. das Spendertier und seine Eltern in ein Zuchtbuch
oder Register einer im Herkunftsgebiet amtlich
anerkannten Zuchtorganisation eingetragen sind,
3. das Spendertier oder seine Eltern in das
Zuchtbuch oder Register einer im Geltungsbereich
dieses Gesetzes anerkannten zuständigen
Zuchtorganisation eingetragen sind und
4. für das Spendertier das Ergebnis einer
Blutgruppenbestimmung vorliegt.
(3)
Die zuständige Behörde kann auf Antrag Ausnahmen von
Abstz 2 Nr. 2 und 3 zulassen (usw).
Das
alles läßt sich noch überblicken, aber klar wird schon
wie sehr wir bei so einem Import abhängig sind von die
Mitarbeit einer (natürlich staatlich anerkannten)
Besamungsstation und von der Behörde. Dabei muß erwähnt
werden, daß sowohl tiefgefrorener als auch Frischsamen
vom Veterinärdienst des E.G.-Landes überprüft werden muß.
Dabei gilt, daß wenn man in Amerika schon längst alles
kontrolliert hat, dieses im E.G.-Gebiet keinerlei
Rechtsgültigkeit hat. Diese Untersuchungen betreffen
insbesondere zwei übertragbare Erreger von
Fruchtbarkeitsproblemen bei Pferden, nämlich die
Bakterie von C.E.M. (Contagious Equine Metritis) und das
Virus von E.A.V. (oder auch E.V.A., Equine Arteritis
Virus). Dafür is es jedenfalls sehr wichtig, daß auf der
amerikanischen Hengststation offiziell kontrolliert
wurde, daß 60 Tage vor Samenabnahne bei keinem der dort
stehenden Tiere Anzeichen von C.E.M., und die letzten 30
Tage keine Anzeichen von E.A.V. aufgetreten sind.
Übrigens ist die Behauptung, daß es in den U.S.A. kein
C.E.M. gäbe, schon längst widerlegt. E.A.V. gibt es in
Amerika verhältnismässig oft beim Standardbred (Traber). |
Die praktische Durchführung |
Da Frischsamen (mit
einem geeigneten Verdünner und gekühlt auf 5 Grad
Celcius) bis zwei Tage (48 Stunden) in guter Verfassung
gehalten werden kann, wird ein Versand aus Amerika
manchmal die gesetzlichen Hürden nicht nehmen können.
Das Wochenende ist dabei ein spezielles Problem, was
immer wieder auftaucht. Auf etwas weniger
hektische Art und Weise können wir das ganze angehen,
wenn wir Tiefgefriersamen von guter Qualität importieren.
Dabei wird unsere Auswahl weiter eingeschränkt, weil
nicht von jedem Hengst einer Besamungsstation auch Samen
tiefgefroren wird. Auch wenn man das im Prinzip machen
würde: nicht jeder Hengst produziert Samen, der nach dem
Tieffrieren gut haltbar bleibt. Wenn hier in Europa 100%
toter Samen eintrifft, haven wir ja wenig davon.
Außerdem müssen wir beim Benutzen von Tiefgefriersamen
(von eindeutig guter Qualität!) im Vergleich zur
künstlichen Besamung mit Frischsamen mit einer etwa 10%
niedrigeren Fruchtbarkeitsrate rechnen. Das heißt, daß
10% weniger Stuten tragend werden nach Besamung während
der ersten genutzten Rosse.
Hier kommen
wir zum Zeitpunkt der Besamung. Dabei kann man die wohl
beste Lösung wählen: Die Stute auf einer
Besamungsstation gut überwachen zu lassen. Züchterische
Erfahrung spielt hierbei natürlich genauso eine Rolle
wie der Kostenfaktor. Stuten zeigen ihre Rosse sehr
unterschiedlich; im Prinzip muß man ihr Rossepatron (Rosseverhalten)
kennen. Ein Hengst im Stall kann hierbei eine
unerläßliche Hilfe sein. Mit Viel Erfahrung oder auch
mit Hilfe eines Tierarztes, der rektal die Eierstöcke
der Stute untersucht, kann man auch mit dem Tier zuhause
gute Erfolge erreichen. Beratung von in der Fertilität
der Stute erfahrenen Tierärzten kann hierbei
entscheidend sein. Zum Beispiel die Entscheidung, bei
einer bestimmten Zuchstute die erste oder die zweite
Rosse nach die Geburt des Fohlens für die künstliche
Besamung zu wählen, oder auch die Rosse mit einer
Hormongabe hervorzurufen. Wenn man nur wenige Samen-
Röhrchen aus Amerika bekommen hat, wird es sehr kritisch,
an welchen Tagen der Rosse man diese benutzt.
Kurz und gut: Glück muss man dabei jedenfalls haben und
nicht nur das. Einen Faktor habe ich bisher noch nicht
mal erwähnt: Wie schnell schafft ein Kurierdienst den
Samen von der Adresse in Amerika hierher. Sicher, wenn
man einen Versuch mit Frischsamen wagt, ist ein reger
Kontakt über Telefax mit der amerikanischen
Hengststation absolut notwendig.
Dabei bin ich recht interessiert zu hören, wer mit K.B.
(Künstlicher Besamung) von amerikanische Hengsten Erfolg
errungen hat!
Maryan Zyderveld,
Tierärztin |
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Since this article
was written, at least one successful semen transfer
took place: a colt was born conceived in Europe with
semen of Midnight Tango, imported from the U.S. If
you know of any more successful breeding this way,
please let us know at
mczyderveld@xs4all.nl.
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